Die Bundesrepublik Deutschland und die DDR hatten zahlreiche ideologische Unterschiede.
Bei Themen der Stadtentwicklung und Stadtplanung einte sie jedoch in den 1950er- und
1960er-Jahren ein gemeinsames Ziel: Die autogerechte Stadt. Ein westdeutsches
Paradebeispiel dafür ist die Stadt Hannover. Doch auch in Halle hatte man große Pläne, die
zumindest teilweise auch verwirklicht wurden. Das Auto stand, sowohl in Ost als auch in
West für individuelle Mobilität und diese wiederum für Fortschritt. Der Ausbau von Straßen
war außerdem ein äußerliches Zeichen der Moderne und die DDR hatte den Ehrgeiz, hier mit
dem Westen mitzuhalten. In Halle war immerhin das Verkehrsaufkommen für DDR-
Verhältnisse vergleichsweise hoch und so bot sich hier die Gelegenheit zum Aufbau einer
autogerechten Verkehrsführung. Am heutigen Riebeckplatz (zu DDR-Zeiten Ernst-
Thälmann-Platz) kreuzten sich von Norden kommend die Staatsstraße 6 und von Westen
kommend die Staatsstraße 80. Von Süden kommen trat zudem noch die Staatsstraße 91
hinzu. Das Verkehrsaufkommen war für heutige Verhältnisse niedrig, für die DDR Anfang
der 1960er-Jahre jedoch schon vergleichsweise hoch. So begannen in dieser Zeit die
Planungen für eine kreuzungsfreie Hochstraße auf der Staatsstraße 80, die sich lediglich am
Ernst-Thälmann-Platz mit den Staatsstraßen 6 und 91 kreuzen sollte. Die Bauarbeiten
begannen 1964 und waren 1969 nahezu abgeschlossen. Von Westen kommend verliefen die
Straßen an der Waisenhausmauer und Frankestraße fortan in knapp 10 Metern Höhe über
dem Erdboden und von Norden kommend die Volkmannstraße, während von Süden
kommend die Merseburger Straße auf den Ernst-Thälmann-Platz traf. Nun galt es auch, eine
Straßenbeleuchtung zu installieren, die sowohl die genannten Hochstraßen als auch die weiter
unten liegenden alten Straßenverläufe angemessen beleuchtete. Dazu wurden ab 1968
mehrere Dutzend sehr große Leuchten der VEB Leuchtenbau Staßfurt aufgestellt. Da der
Mast nicht auf den Hochstraßen selbst, sondern auf dem üblichen Straßenniveau aufgestellt
wurde, war eine große Höhe erforderlich. So sind zahlreiche der Laternen knapp 40 Meter
hoch und sind aufgrund ihrer Höhe nicht nur auf den Straßen ihrer Standorte, sondern sogar
in der Altstadt zu sehen, wo sie zahlreiche Dächer überragen. Ende der 1960er-Jahre mochte
das Ganze, gemessen an dem damaligen Verkehrsaufkommen überdimensioniert sein, doch
heute ist dies nicht mehr so. Nach der Wende wurde der Ernst-Thälmann-Platz in
Ribbeckplatz rückbenannt. Die Laternen blieben aber stehen und wurden teilweise sogar
restauriert und mit neuen Reflektoren ausgestattet. Das gesamte Ensemble der Hochstraßen
und diese Laternen vermitteln aber noch heute einen Eindruck von den städtebaulichen
Plänen, welche in der DDR hier und auch anderen Orts verfolgt wurden.
Markus Seebass
im August 2024